Vierter IBA Salon im Bahnhof Apolda
‚Open!’, Willkommen im Bahnhof!, hieß es am 16. Oktober anlässlich des 4. IBA Salons in Apolda. Im Mittelpunkt stand die Frage nach dem Umgang mit leerstehenden Gebäuden, ihre zeitweilige Nutzung und ‚Inkulturnahme’. Parallel dazu wurden in der Ausstellung ‚open: station’ 300 Minuten lang Zukunftsstrategien für das Bahnhofsgebäude aus zwei Semesterprojekten an der Bauhaus-Universität Weimar präsentiert.
Rund 100 geladene Gäste, Vertreterinnen und Vertreter von Stadt und Ministerien, von der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) und von Hochschulen, Apoldaer Bürgerinnen und Bürger sowie Studierende waren der Einladung der IBA Thüringen gefolgt. Im Mittelpunkt standen sogenannte städtische Ankergebäude: Bahnhöfe, Kaufhäuser, Postgebäude, Kliniken und Kirchen, Fabriken, Arrestanstalten und gewerbliche Anlagen, zumeist Zeugen der industriellen Ära der Stadtentwicklung. Das Podium war mit Gästen aus Bremen, Sachsen-Anhalt, Riga und Italien international besetzt. Gemeinsam mit Dr. Doehler-Behzadi diskutierten Jonas Büchel, Kulturmanager in Riga und Mitglied der Bürgerinitiative ‚Free Riga!', Dr. Lucio Nardi, Architekt und Initiator des Sozio-Kultur-Projekts Schwarzwurzel in Steinach, Oliver Hasemann, Raumplaner und Gründer der ZwischenZeitZentrale in Bremen sowie Dr. Ulrike Wendland, Landeskonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Sachsen-Anhalt. Als Partner des IBA Salons eröffnete der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn AG für Thüringen, Volker Hädrich, die Diskussion. Ausgehend von der Bahnhistorie machte Hädrich deutlich, dass eine Immobilie wie der Bahnhof in Apolda keine Seltenheit im DB-Portfolio darstelle. Allein im Freistaat überträfe die Fläche dieser sogenannten nicht-betriebsnotwendigen Gebäude und Anlagen die Ausmaße von Berlin. Er betonte die kommunale Planungshoheit: „Sie als Stadt wissen am besten, was sie aus planerischer Sicht anstreben“, sagte er, gerichtet an Apoldas Bürgermeister Rüdiger Eisenbrand.
Im folgenden Gespräch ging es um Fragen wie: Wer sind die Stadtmacher von heute? Welchen Stellenwert nimmt die Denkmalpflege ein? Was leisten Zwischennutzungen?
Zunächst stellte Oliver Hasemann, Raumplaner und Gründer der ZwischenZeitZentrale (ZZZ) Bremen, seine Arbeit vor. Von privater wie auch öffentlicher Hand erhält die ZZZ Gebäude, Fabrikareale und sonstige Brachflächen zur Nutzung auf Zeit. Als Beispiele für die erfolgreiche Zwischennutzung nannte Oliver Hasemann eine ehemalige Wollkämmerei oder den alten Güterbahnhof in Bremen. Genutzt wurden diese Räume ursprünglich durch kreative Menschen und Initiativen. Inzwischen sind die Beispiele bunter und reichen von der Lagerhalle über das Wohnen und Arbeiten an einem Ort bis hin zur Garnelenzucht. Die ZZZ übernimmt als neuer Akteur der Stadtentwicklung eine wichtige Vermittlerfunktion zwischen Eigentümer, Stadt und Zwischennutzer. Das Aufgabenfeld beginnt beim Aufspüren geeigneter Objekte bis zum Entwickeln und Begleiten von Nutzungskonzepten, so Herr Hasemann.
Jonas Büchel, Gründer des Urban Institutes in Riga, stellte das Thema ‚Leerstand’ aus internationaler Perspektive vor. In Rigas Altstadt stehen bis zu 25 Prozent der Gebäude leer. Eine staatlich bereitgestellte Städtebauförderung, wie wir sie in Deutschland kennen, existiert in Lettland nicht. Jonas Büchel initiierte 2009 gemeinsam mit dem Goethe-Institut Riga das Projekt ‚Empty Spaces’, das bei der Frage ansetzt, wer den Raum ‚steuert’. Stadtmacher seien vor allem die Architekten, gemeinsame, urbane Planung sei kaum etabliert. Riga war Kulturhauptstadt 2014. Für den Mitbegründer der Initiative ‚Free Riga!’ und seine Mitstreiter war im Vorfeld die Suche nach kulturell nutzbaren Flächen wichtig, ausgehend von der provokativen Frage: „Sind wir die Kulturhauptstadt oder sind wir die Leerstands-Kulturhauptstadt?“. Es ging darum, Möglichkeiten für eine kooperative Raumgestaltung in Riga auszuloten, so Büchel.
Anschließend sprach Dr. Marta Doehler-Behzadi die Begrenztheit von temporären Nutzungen an, schließlich werde keine endgültige Lösung geschaffen. Vor dem Hintergrund der IBA Stadtumbau 2010 in Sachsen-Anhalt sagte die Landeskonservatorin Dr. Ulrike Wendland: „Jede Nutzung ist besser als keine Nutzung. Leerstand zerstört und richtet den größten Schaden an.“
Im Gespräch spielte auch die Frage nach den benötigten Standards eine Rolle. Dr. Lucio Nardi, Initiator des Vereins Schwarzwurzel e.V. in Steinach, plädierte für den ‚Verzicht auf das Maximum’. „Wenn man Leerstand nutzt“, so seine These, „verzichtet man auf Gestaltung. Sich dafür zu entscheiden ist eine Haltungsfrage. Man muss mit den Grenzen eines Gebäudes umgehen.“ Er verwies u.a. auf eine Aktion des Soziokulturprojektes Schwarzwurzel in Steinach: Ein Theaterstück, bei dem mehrere ungenutzte Orte temporär bespielt wurden.
Parallel zum 4. IBA Salon bespielte 300 Minuten lang eine Ausstellung das Bahnhofsgebäude. Die temporäre Schau mit dem Titel ‚open: station’ beschäftigte sich mit alternativen Strategien und andersartigen Entwicklungsansätzen für den nahezu leerstehenden Bahnhof Apolda. Eröffnet wurde die Ausstellung mit einem Hausspaziergang, bei dem die IBA Projektleiter Katja Fischer und Tobias Haag die Besonderheiten des Bahnhofs erklärten und eine ‚Lesehilfe’ für den ursprünglichen Zustand des Gebäudes ermöglichten. In zahlreichen Räumen, darunter die ehemaligen Wartesäle, wurden die Resultate aus zwei Semesterprojekten an der Bauhaus-Universität Weimar gezeigt: zum einen ‚iba campus APOLDA’– betreut durch die IBA Thüringen/IBA Werkstatt – , zum anderen ‚abgehängt? - Bahnhöfe in Thüringen’, betreut von der Professur Denkmalpflege und Baugeschichte der Bauhaus-Universität Weimar. Die Projekte von 46 Studierenden entstanden in Zusammenarbeit mit Mentoren aus Berlin, Hamburg, Barcelona und Greifenberg.
Weitere Informationen zu den Personen, Projekten und Initiativen:
- Oliver Hasemann, ZwischenZeitZentrale Bremen
- Jonas Büchel, Free Riga!
- Dr. Lucio Nardi, Kulturverein Schwarzwurzel e.V.