IBA Besuch im Wartburgkreis widmet sich Stadtentwicklung
Im Umland von Bad Salzungen zeigten die Kommunen innovative Ansätze für Energiewende, Bauen im Bestand sowie im Umgang mit dem Bevölkerungsrückgang.
Zum Auftakt der Rundreise am 23. Juni wurde das IBA Team im Schloss der Stadt Geisa willkommen geheißen. Die Kleinstadt im Wartburgkreis hat 4.700 Einwohner und besitzt ein historisches Zentrum, das sanierungsbedürftig ist und zugleich energietechnisch auf den neuesten Stand gebracht werden soll. Als erste Station standen für die IBA Geschäftsführerin und ihre Mitarbeiter die Zukunft der Altstadt vor dem Hintergrund der Energiewende auf dem Programm. Bürgermeister Martin Henkel erläuterte die schwierigen Rahmenbedingungen für das ambitionierte Vorhaben ‚Klima-Quartier Altstadt Geisa’.
Auflagen bei Natur- und Denkmalschutz erschweren die Umsetzung: Photovoltaik wäre auf den Dächern inmitten der historischen Altstadt undenkbar, Wärmepumpen sind zu laut. Auch die Nutzung von Wind- und Wasserkraft scheidet durch das nahegelegene Biosphärenreservat und die Wasserrahmenrichtlinie für Geisa aus. Das Holz aus dem Stadtwald ist ein Lösungsansatz: Aus Hackschnitzeln ließe sich ausreichend Energie gewinnen, um den Grundbedarf der Altstadt zu 95% zu decken. Momentan werden die Einwohner der Altstadt noch auf Erdölbasis versorgt. Ziel ist es, das Quartier auf Basis regenerativer Energien zu versorgen und an ein Nahwärmenetz anzuschließen. Wenn dies gelingt, kann das Konzept beispielhaft für die Energiewende im Denkmalensemble stehen und ein bezahlbares Modell für den ländlichen Raum sein.
Anschließend machte das IBA Team in der alten Kemenate in der Stadt Vacha Station. Bürgermeister Martin Müller erläuterte den Besuchern, wie privates Engagement dazu beitragen könnte, Probleme der Entwicklung und Sanierung der Altstadt anzupacken. Vacha liegt – wie Geisa – direkt an der Landesgrenze zu Hessen und hat heute noch rund 5.500 Einwohner.
Die Altstadt mit ihrem Denkmalensemble ist stark sanierungsbedürftig. Leerstand prägt das Bild, zurückgehender Einzelhandel schreckt Investoren ab. Dagegen möchte die Kommune nun mit der Gründung einer Genossenschaft angehen. Die Grundidee ist einfach: Bürger und lokale Unternehmen sollen gemeinsam die Mittel einbringen, um aussichtsreiche Sanierungs- oder Neubauprojekte umzusetzen. Denn trotz allgemeinem Bevölkerungsrückgang gibt es in Vacha Bedarf vor allem an altersgerechten Wohnungen. Ziel ist neben der Aufwertung der Innenstadt eine größere Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Zudem stärkt das Vorhaben die Wirtschaftskraft, indem Unternehmen vor Ort von Anfang an eingebunden werden.
In der St. Trinitatis Kirche in Ruhla beschäftigte sich die IBA Gruppe ebenfalls mit dem Thema Stadt. Zunächst stellen Bürgermeister Ziegler und die Stadtplaner Dr. Wilke und Herr Preußker den Stadtumbau in Ruhla vor. Unter dem Motto ‚Eine Region entdeckt sich neu’ soll Ruhla aus dem Dornröschenschlaf erwachen und sich zu einem auch für Touristen attraktiven Ort mit hoher Lebensqualität entwickeln.
Die ehemalige Industriestadt musste nach der Wende einen großen strukturellen Wandel bewältigen.
In der Altstadt herrscht hoher Leerstand, Nutzungskonzepte fehlen. Trotz historischer Baudenkmäler verliert Ruhla zunehmend an Attraktivität für Gäste und Bürger. Und dies obwohl Ruhla denkbar günstig inmitten des Naturparks ‚Thüringer Wald’ liegt.
Um Ruhla künftig als attraktives Reiseziel zu etablieren, sind mehrere Maßnahmen geplant.
Eine Initiative, um den Fremdenverkehr anzukurbeln und die Stadt zum Anziehungspunkt für Besucher zu machen, sind die ‚Lux Festspiele’. Ihr Name geht auf Friedrich Lux, einen aus Ruhla stammenden Opernkomponisten der Romantik, zurück. Wie die Initiatoren erläuterten, können sich Ruhla und die Region von einer Industrielandschaft zu einem Festspielort entwickeln. Getragen von einem Verein fanden die Festspiele in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal statt. Diese sollen fortan kontinuierlich professionalisiert und auf Schlossanlagen und weitere Orte in der Region ausgedehnt werden. Kultur und Musik könnten so das Image von Ruhla künftig positiv prägen.
In der Kreisstadt Bad Salzungen präsentierte der Planer Dr. Burlein das Projekt ‚Gartenstadt Allendorf’. Nach dem Rückbau der Plattenbauten soll auf diesem Areal, unter Einbeziehung der bestehenden Infrastruktur, ein vielfältiges Quartier mit hohen Freiraumqualitäten entstehen. Vorgesehen sind unterschiedliche Wohn- und Gebäudetypologien in Plusenergiebauweise.
Unter dem Motto ‚Wohnen. Leben. Zukunft – Labor3’ sind in Bad Salzungen noch zwei weitere Modellquartiere geplant. Zum einen das Identitätsquartier ‚Stadtkern’, in dem man zur Sicherung des ortstypischen Charakters den Leerstand aktiv managen möchte; zum anderen das Mobilitätsquartier ‚Bahnhofsareal’, wo im Rahmen der Umgestaltung die Verbindung zur Stadt und den Kuranlagen optimiert werden soll.
Mit einer Gesprächsrunde im historischen Gradierwerk von Bad Salzungen fand diese IBA on tour ihren Abschluss. Kritisch diskutiert wurden etwa die bestehenden Standards im Bauwesen. Knut Rommel vom Amt für Landentwicklung und Flurneuordnung Meiningen formulierte: „Es sollte mehr um Prozesse und Verfahren gehen, beispielsweise um die Frage, inwiefern Eigenleistung als Eigenanteil im Rahmen von Förderprogrammen eingebracht werden kann.“ Und Dr. Uwe Wilke vom Büro Erfurt und Partner GmbH ergänzte: „Standards zu hinterfragen ist wichtig. In der Architektenkammer haben wir gesagt, dass wir neue Ideen und neue Standards für Thüringen benötigen.“
Standardisierte Verfahren und Abläufe kritisch auf den Prüfstand zu stellen, ist ein Thema, das auch die IBA Thüringen umtreibt und dem sie sich in den kommenden Jahren widmen wird. Abschließend brachte der Landrat Reinhard Krebs seine Erwartungen an die IBA Thüringen auf den Punkt: „Das allerwichtigste ist, dass die IBA Anstöße für neue Ideen gibt.“