Apolda, MA Martinskirche
Ein soziokultureller Treffpunkt
Die Martinskirche ist eines von zwei evangelischen Gotteshäusern in Apolda. Nur 300 Meter vom Marktplatz entfernt, hat sie Anschluss an die belebte Fußgängerzone der Stadt. Sie wurde 1119 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und ist damit, wie viele Kirchen, fest in die Stadtgeschichte eingeschrieben. In den letzten Jahrzehnten war hier das Kunstgutdepot der Landeskirche untergebracht. Mit dessen Wegzug entstand für die Kirchgemeinde ein Freiraum, auch für neue Ideen. Daher bewarb sich die Kirchgemeinde Apolda mit ihrem Pfarrer Thomas Robscheit 2016 beim Ideenaufruf StadtLand:Kirche der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der IBA Thüringen. Sie wollten das historische Langschiff wieder zu einem Ort des Miteinanders und der Nächstenliebe für die Apoldaer:innen unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Alter entwickeln. Die sakrale Nutzung findet weiterhin hauptsächlich in der Kapelle und deren Chorraum statt.
Das Leipziger Architekturbüro Atelier ST ging mit seinem Entwurf eines mehr oder weniger auf das Innere bezogenen Umbaus als Favorit der Mehrfachbeauftragung hervor. Sie wollen ein Haus im Haus errichten, das die Blicke neu auf das historische Gebäude lenkt. Das Langschiff wird von den heute funktionslosen Emporen befreit, um in den 220 Quadratmeter großen Raum ein nahezu schwebendes Holzobjekt zu implantieren. In dieser architektonischen Figur findet dann über zwei Ebenen das Gemeindeleben statt, können Büro- und Sitzungsräume ganzjährig genutzt werden. Darunter entsteht eine große Plaza als öffentlicher Ort. Das Langschiff wird somit zum Herzstück des geplanten Treffpunkts.
Die Pläne für den Umbau der Martinskirche zum soziokulturellen Zentrum wurde zum ›Tag des offenen Denkmals 2021‹ durch ein Modell von Atelier ST vor Ort in Apolda präsentiert. Foto: Atelier ST
Mit einem neuen Rautengewölbe aus weiß lasiertem Brettschichtholz soll ein Haus im Haus errichtet werden, das dem alten Gemäuer neues Leben einhaucht. Foto: Atelier ST
Die Innovationskraft liegt in der Einfachheit der architektonisch-räumlichen Idee, die das Verhältnis von Leerraum umkehrt. Der Bestand wird nur minimal tangiert. Die offene Struktur sorgt für natürliches Licht in den neuen Räumen sowie für eine einzigartige Korrespondenz zwischen Bestand und Neubau. Foto: Atelier ST
Der IBA Fachbeirat hat am 5. März 2021 für die Martinskirche in Apolda den IBA Projektstatus empfohlen.
Der Grafikdesigner Tom Unverzagt entwickelte 2022 ein Kommunikationskonzept für die Kirche. Das IBA Projekt erhält damit einen prägnanten Namen: »MA« — Martinskirche Apolda. MA ist das Akronym der Martinskirche Apolda und spiegelt die Vision eines Ortes, der für die Apoldaer:innen zum wichtigen Treffpunkt werden soll: »Komm, wir gehen ins MA!« oder »Komm MA’ rein!«.
Die Martinskirche kann zu einer Ikone der modernen Kirchenumnutzung werden, die religiöse und weltliche Begegnungen ermöglicht. Im Jahr 2023 sollen die Baumaßnahmen beginnen.
Die Idee für die Nutzungserweiterung der Martinskirche Apolda ging hervor aus dem Ideenwettbewerb ›STADTLAND:Kirche 2017‹ der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der IBA Thüringen. Das IBA Vorhaben ist eins von insgesamt sieben Modellprojekten, die aus dem Ideenaufruf hervorgegangen sind.
MA Martinskirche Apolda im IBA Finale 2023
Die letzte Etappe der finalen IBA Tour führte den Fachbeirat und das Team der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen am 3. März 2023 nach Apolda. Dort überreichte die IBA Geschäftsführerin Marta Doehler-Behzadi den Projektbeteiligten der MA Martinskirche Apolda Urkunden zur Aufnahme in die IBA Abschlusspräsentation. Dieser symbolische Akt ist die finale Auszeichnung, welche ein Projekt im Rahmen der IBA Thüringen erreichen kann.
Fachbeirat empfiehlt IBA Projektstatus für MA Martinskirche Apolda
Der IBA Fachbeirat hat am 5. März 2021 für die Martinskirche in Apolda den IBA Projektstatus empfohlen.
Favorisierter Entwurf für Umbau und Sanierung der Martinskirche Apolda
Das Leipziger Architekturbüro Atelier ST des Architektenduos Silvia Schellenberg–Thaut und Sebastian Thaut ist Favorit bei der Mehrfachbeauftragung für die MA Martinskirche in Apolda.
Der 1119 erstmals erwähnte Kirchenbau im Herzen Apoldas zählt zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Aufgrund der aktuell geringen Anzahl an Gemeindemitgliedern und einem generellen Rückgang von Kirchgängern wird derzeit jedoch nur die kleine Kapelle als Ort sakraler Nutzung herangezogen. Der imposante Raum des Langschiffs der Martinskirche steht leer. Er fungiert momentan als Lager und Archiv.
Im Rahmen des offenen Ideenaufrufs 2017 der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der IBA Thüringen wurden über 500 Ideen zur Belebung von wenig bis gar nicht genutzten Kirchengebäuden gesammelt. Zu den ausgewählten Modellprojekten gehört auch die Kirche St. Martin in Apolda.
Aufgabe der Mehrfachbeauftragung war es, den Ort und das Bauwerk mit neuem Leben zu füllen. Dafür sollten die Leerräume der Kirche und ihre Freianlagen in ein soziokulturelles Zentrum umgewandelt werden. Konkret waren Probe- und Übungsräume, Sitzungssäle, Büros, Räume für Jugend- und Kinderarbeit, Toiletten usw. in die Substanz bzw. als Ergänzung an diese unterzubringen.
Das favorisierte Konzept des Ateliers ST sieht vor, ohne Eingriffe in die tragende Bausubstanz ein Haus im Haus zu errichten. Der Grundgedanke des Entwurfs ist, den Raum der Kirche von den heute nicht mehr sinnvoll nutzbaren Emporen zu befreien und in diesen Raum ein quasi schwebendes Objekt zu implantieren. Der karge Raum der Kirche bleibt vollkommen erlebbar, gewinnt aber durch das eingesetzte Volumen eine einzigartige und dramatische Qualität, die durch die Führung des Lichts noch einmal unterstrichen wird.
Im Erdgeschoss soll ein offener, für zahlreiche Aktivitäten, Inszenierungen, Ausstellungen frei verfügbarer Raum entstehen, der wie eine innenräumliche Piazza funktioniert, der offen ist zum Garten, aber prinzipiell auch offen sein kann zum sonstigen umliegenden Stadtraum, von dem her Aktivitäten aufgenommen, ja in der Kirche konzentriert werden können. Diese Multivalenz und Offenheit ist einem soziokulturellen Zentrum sehr gemäß. Der Raum kann temperiert werden, je nach den Erfordernissen des jeweiligen Gebrauchs.
Der in und über diesem Raum ›schwebende‹ Körper wiederum würde eine Reihe von Funktionen der Gemeinde aufnehmen, ist kompakt, ganzjährig und permanent nutzbar, weil vollständig beheizbar. Die gewählte Figur des Implantats folgt streng, ja minimalistisch, den funktionalen und statischen Erfordernissen und bezieht auch daraus eine unikale und zeichenhafte Qualität. Der Körper stützt sich einerseits ab auf die Erschließungselemente der Treppe und des Aufzugs, wodurch die Gemeinderäume barrierefrei erreichbar sind. Er stützt sich andererseits ab auf eine massive, asymmetrisch im Raum stehende Stütze wie ein ›Fuß‹, die den Boden aber nur minimal berührt, und einen ›Arm‹ als Erschließungs- und Fluchtweg von und zu der außen liegenden Treppe der Kirche. Der freischwebende Betonkörper gerät derart in eine nahezu archaisch schöne Wechselbeziehung zum umgebenden alten Mauerwerk der Kirche.
Die Jury ist nach intensiver Diskussion zu der einstimmig getroffenen Entscheidung gelangt, dem Bauherrn die Arbeit des Atelier ST Leipzig zur Realisierung zu empfehlen und das Architekturbüro mit der Planung zu beauftragen.
Insgesamt würdigte das Berater:innen- und Sachverständigengremium die herausragende räumliche, atmosphärische und symbolische Qualität des Entwurfs. Die Belange des soziokulturellen Zentrums seien in diesem Projekt ebenso abgebildet, wie die Erfordernisse der Kirchgemeinde. Zudem schaffe die Figur der Lösung ein nahezu einzigartiges Bild, das verspricht, die Martinskirche weithin zu einer Ikone der modernen Kirchenumnutzung werden zu lassen.
Fachbeirat empfiehlt IBA Kandidatenstatus für MA Martinskirche
IBA Kandidat wird, wer gute Ideen und Konzepte für das StadtLand vorweisen kann. In einem anschließenden Qualifizierungsprozess mit Workshops, Studien, Wettbewerben und ersten Planungen reifen diese Ideen zu Projekten, an die ein hoher Maßstab angelegt wird. IBA Projekte sollen für die Entwicklung Thüringens und darüber hinaus Referenz und Vorbild sein.
Der IBA Fachbeirat hat am 30. September 2014 für die Martinskirche in Apolda den IBA Kandidatenstatus empfohlen.
Momentan keine Termine
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- Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Apolda
- Evangelischer Kirchenkreis Apolda-Buttstädt
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