Thüringen, 2.000 Kirchen
Kirchen gehen auf
Die Kirche war und ist Mittelpunkt eines Orts, doch die gesellschaftliche Rolle der Kirche ist seit Langem im Wandel. In Thüringen stehen 99 Prozent der etwa 2.000 evangelischen Kirchengebäude unter Denkmalschutz. Sie stellen einen besonderen kulturellen, auch ortsbildprägenden Wert dar, sind aber allein schon durch ihre Anzahl ebenso eine besondere Herausforderung.
Nicht nur die Instandhaltung ist aufwendig, auch werden die Kirchen nicht mehr überall regelmäßig genutzt. Aufgrund geringer und weiter schrumpfender Mitgliedszahlen können Kirchengemeinden ihre Schätze oft nicht pflegen. Ergebnis ist der Verlust von wichtigen Begegnungsorten für das Gemeinwesen.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) bewarb sich deshalb 2014 beim ersten offenen Projektaufruf »Zukunft StadtLand!« der IBA Thüringen. Für die EKM ein Rahmen, der zu ihren brennenden Fragen genau passte. Sie entwickelte das Thema »Aufgabe, Abgabe, Wandel? Perspektiven für kirchliche Gebäude in Thüringen« und wurde eine der ersten IBA Projektträger:innen.
Nach einer intensiven Vorbereitungsphase mit Expert:innen aus ganz Deutschland veröffentlichte die EKM in Kooperation mit der IBA Thüringen 2016 einen offenen Ideenaufruf: StadtLand:Kirche. Gesucht waren zukunftsfähige Ideen zur Nutzung kirchlicher Gebäude und zwar aus allen Bevölkerungsschichten, nicht nur von Personen christlichen Glaubens.
Die Ergebnisse wurden 2017 in der Kaufmannskirche Erfurt ausgestellt. Szenografie: chezweitz.
Bei der Vernissage am 13. Mai 2017 konnten die Besucher:innen selbst hunderte Ideen für den Umgang mit Kirchengebäuden lüften. Auf den Monitoren wurden die eingereichten Ideenvideos aus dem Aufruf abgespielt.
Sieben Modellprojekte gingen aus dem Aufruf hervor: Die ›MA‹ Martinskirche Apolda wird als eigenes IBA Projekt zum soziokulturellen Treffpunkt. Die vier HER(R)BERGSKIRCHEN Thüringer Wald werden als IBA Projektfamilie erfolgreich online als Herbergen am Rennsteig vermietet und sind Orte der Begegnung. Die Feuerorgel Kapelle Krobitz wurde mit einer gasbetriebenen Orgel 2017 zur Kunstkapelle - und dem ersten fertigen IBA Projekt.
Die Bienen-Garten-Kirche St. Peter und Paul in Roldisleben, ein meditativer Spielplatz in der Kirche St. Nicolai in Niedergebra, die Netzwerkkirche St. Johannis in Ellrich und die Gesundheitskirche St. Severi in Blankenhain sind ebenfalls Modellkirchen, die sich im Prozess befinden.
Die Feuerorgel Kapelle Krobitz ist das erste fertige Vorhaben aus dem offenen Ideenaufruf 2017. Der international renommierte Künstler Carsten Nicolai entwickelte die skulpturale Arbeit ›organ‹ für das IBA Projekt. Das Musikinstrument ist inspiriert von frühen Entwürfen sogenannter Flammenorgeln aus dem 18. Jahrhundert. Foto: Henry Sowinski
Die HER(R)BERGSKIRCHE Michaelis in Neustadt am Rennsteig ist ein Modellprojekt für weitere HER(R)BERGSKRICHEN entlang des Rennsteigs im Thüringer Wald und seit März 2019 IBA Projekt. 2020 haben die HER(R)BERGSKIRCHEN mit der Lutherkirche in Tambach-Dietharz Zuwachs erhalten. 2021 folgte die Matthäuskirche in Spechtsbrunn, die im Sommer 2022 erstmals als HER(R)BERGSKIRCHE angeboten wird. Außerdem begann 2022 der Projektprozess für die Kirche St. Katharina in Hirschberg an der Saale, die ab 2023 buchbar sein wird.
Das Kirchenschiff der Martinskirche Apolda soll zu einem soziokulturellen Treffpunkt umgebaut werden. 2020 suchten die Planungsbeteiligten, die Kirchgemeinde Apolda, die EKM und die IBA nach Entwürfen für den Umbau des Kirchenschiffs. Durchsetzen konnte sich der Entwurf des Leipziger Architekturbüros Atelier ST, das mit einem neuen Rautengewölbe aus weiß lasiertem Brettschichtholz eine Haus-in-Haus Lösung für die Martinskirche vorschlägt. Visualisierung: Atelier ST
Die St. Johannis Kirche in Ellrich denkt bis 2030 und will digital und sozial vernetzen. In Workshops wurde der Kirchenraum schon häufig zum Treffpunkt. Beteiligte sind die Stadt Ellrich, die EKM, die Kirchengemeinde und das Architekturbüro ONOFF Berlin und der Künstler Jürg Montalta. Foto: Elke Bergt.
Die Bienen-Garten-Kirche in Roldislebenwird für eine erweiterte Nutzung geöffnet. Dank des Engagements der Akteur:innen werden hier Begegnung und Identitätsbildung sowie der Austausch von Erfahrungen, kulturellem, ökologischem und religiösem Wissen gefördert. Im Mittelpunkt des Projektes steht die Erschließung von Garten und Gebäude der Kirche St. Peter und Paul zu Roldisleben über die rein gottesdienstliche Nutzung hinaus, zum Nutzen der Dorfgemeinschaft und als attraktiver Anlaufpunkt für die ganze Region.
In der St. Nicolai Kirche in Niedergebra wurde 2019 ein ›meditativer Spielplatz‹ realisiert. Beteiligt waren die Kirchengemeinde sowie die Gemeinde Niedergebra und die EKM. Foto: Elke Bergt
Die sieben Kirchen zeigen, wie eine hybride, öffentliche Nutzung der meist denkmalgeschützten sakralen Räume möglich wird. Die Kirchenumnutzungen führen zu einer veränderten Grundhaltung der Kirchgemeinden. Das Gemeinschaftsgefühl wird gestärkt, indem aus einer Kirche für die Menschen eine Kirche mit den Menschen wird. Damit die Modellprojekte Anregung für weitere Kirchgemeinden sein können, hat die EKM die Webseite kirchen-aufgeschlossen.de ins Leben gerufen. Hier sind die IBA Projekte und weitere Modellkirchen aus ganz Mitteldeutschland zu finden.
2.000 Kirchen im IBA Finale 2023
Die erste Etappe der finalen IBA Tour führte den Fachbeirat und das Team der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen am 22. Februar 2023 nach Krobitz bei Weira im Saale-Orla-Kreis. Dort überreichte die IBA Geschäftsführerin Marta Doehler-Behzadi den Projektträger:innen des IBA Vorhabens 2.000 Kirchen die Urkunde zur Aufnahme in die IBA Abschlusspräsentation. Dieser symbolische Akt ist die finale Auszeichnung, welche ein Projekt im Rahmen der IBA Thüringen erreichen kann.
Thüringer Staatspreis für Baukultur 2021 für ›2.000 Kirchen Thüringen‹
Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft lobte Anfang 2021 erstmals den Thüringer Staatspreis für Baukultur aus. Von insgesamt 75 Einreichungen im Wettbewerb nominierte eine Fachjury 17 Projekte für die engere Wahl. Mit dabei waren auch vier mit der IBA Thüringen verbundene Projekte.
Der Staatspreis für Baukultur sowie Sonderpreise und Medaillen wurden im September 2021 feierlich durch Minister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff vergeben. Die IBA Initiative ›2.000 Kirchen‹ in Kooperation mit der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland und unter Mitwirkung der kuratorischen Projektleitung durch chezweitz Berlin erhielt eine Medaille in der Kategorie ›Initiativen/Institutionen/Personen‹. Der Preis wurde stellvertretend für das ganze Projektteam von Ulrike Rothe (IBA Thüringen) und Marcus Schmidt (Evangelische Kirche Mitteldeutschland) entgegengenommen.
Buch ›Ein neuer Typus Kirche‹ erschienen
Sie sind identitätsstiftend und ortsbildprägend: 99 Prozent der etwa 2.000 evangelischen Kirchen in Thüringen stehen unter Denkmalschutz. Sie sind ein bauhistorischer und kultureller Schatz. Doch die Pflege und Wahrung von Grundstücken, Pfarrhäusern und Kirchen wird angesichts des demografischen Wandels und abnehmender Kirchenmitgliederzahlen immer schwieriger.
Um die Kirchen als wertvolle Baudenkmale und spirituelle Orte erhalten zu können, müssen also neue Wege gefunden werden, sie wieder mit Leben zu füllen. In Thüringen haben sich seit 2016 unter der Schirmherrschaft der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der IBA Thüringen engagierte Kirchgemeinden mit Akteurinnen und Akteuren vor Ort vernetzt, um die Nutzung ihrer Sakralbauten neu zu denken und sich dem Wandel von Kirche zu stellen.
Der zweite Band der Reihe StadtLand:Kirche stellt diese ambitionierten Projekte von Mehrfachnutzungen wie die HER(R)BERGSKIRCHEN Thüringer Wald, die Bienen-Garten-Kirche in Roldisleben oder das geplante soziokulturelle Zentrum in Apolda vor und bettet sie ein in den Kontext der großen Fragen nach dem ländlichen geprägten Raum Thüringens und seiner Zukunft. Man begreift aber den innovativen Wert dieser Modellprojekte erst, wenn der Prozess anschaulich wird, der ihre Realisierung begleitet. So formuliert sich der Fokus des Buches: Geschildert wird der interdisziplinäre Prozess, die Erfolge und auch die Misserfolge, welche zu mutigen Projekten dazugehören. Vor allem wird deutlich, was möglich ist, wenn sich die Kirche öffnet und der Zivilgesellschaft die Hand reicht. So entsteht ein neuer Typus Kirche!
Die Publikation enthält unter anderem Beiträge von: Reinhard Blomert, Heinz Bude, Susanne Dähner, Marta Doehler-Behzadi, Thomas Erne, Volker Gerhardt, Sonja Keller, Hansjürgen Küster, Hartmut Leppin und Geert Mak.
Herausgeber: Jürgen Willinghöfer
Im Auftrag der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und des EKD-Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der Philipps-Universität Marburg und in Kooperation mit der IBA Thüringen.
208 Seiten, 150 farb. Abb.
ISBN 978-3-86859-699-1, € 38,00 (DE), jovis Verlag: Erhältlich im Buchhandel oder direkt bei jovis.
Neue Möbellandschaft für die Netzwerkkirche Ellrich
Geladene Agenturen haben im Rahmen des zweistufigen Pitchs ›Eine Möbellandschaft für die Netzwerkkirche St. Johannis in Ellrich‹ nach innovativen Ideen für deren Ausstattung gesucht. Die raumbildende Möbellandschaft soll die besondere Nutzungsideen rund um die Netzwerkkirche ermöglichen und zu immer neuen interaktiven Ideen und Aktionen inspirieren.
Nach dem dialogischen Pitch-Verfahren empfahl das Auswahlgremium im April 2021, das Büro studio 73 mit der Umsetzung ihres Konzepts einer modularen Struktur zu beauftragen. Der Entwurf zeichnet sich durch einen innovativen Umgang mit dem Thema Recycling und Upcycling von Kunststoff in einem nachhaltigen Stoffkreislauf sowie dem Einsatz der 3D-Drucktechnik aus. Die Flexibilität der Würfelelemente kann die vielfältigen Nutzungsanforderungen der Ellricher Projektakteur:innen von Veranstaltungen über unterschiedliche Aktionen wie Hörkreise, Werkstätten bis zum Bühnenbild spielerisch umsetzen und lässt viel Raum für gemeinschaftliche Zusammenarbeit.
Die Kirche St. Johannis soll vielen Menschen zukünftig dank ihrer Nutzung als vernetzende Ideen-Werkstatt und als liturgischer Raum offenstehen.
Das Vorhaben wird begleitet von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der IBA Thüringen im Rahmen des Kooperationsprojekts ›STADTLAND:Kirche, Neue Perspektiven für Thüringer Kirchen‹, das insgesamt sieben Modellvorhaben in Thüringen umfasst.
Studentischer Wettbewerb zu ›Kirchenmobil‹ entschieden
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hat - begleitet durch die IBA Thüringen sowie das Evangelisch-lutherische Landeskirchenamt Sachsen und in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren der TU München - einen studentischen Wettbewerb für den Entwurf eines Kirchenmobils durchgeführt.
Unter den insgesamt sechs Entwürfen konnte sich ›Zelt‹ der Studierenden Adrianus Duquesnoy und Kilian Beutin für den 1. Preis durchsetzen. Ihr Kirchenmobil setzt sich aus einem Außenrahmen aus Holz zusammen, der von einem eingehangenen Zelt zur mobilen Kirchenarchitektur komplettiert wird. Das flexible System lässt sich variabel zusammenbauen. Ausstattungen wie Altar und Sitzmöglichkeiten bestehen beispielsweise aus integrierten Steckmöbeln. Die gesamte Konstruktion lässt sich verpacken und könnte so zukünftig an verschiedenen Standorten installiert werden.
Landesbischof übernimmt Schirmherrschaft für Modellprojekte
Seit 2017 befinden sich in Thüringen sieben Kirchgemeinden auf dem Weg, mit innovativen Nutzungsideen ihre Kirchgebäude mit neuem Leben zu füllen. Diese Modellprojekte sind hervorgegangen aus dem Ideenaufruf ›STADTLAND:Kirche 2017‹ und der Ausstellung ›500 Ideen, 500 Kirchen‹, einem Kooperationsprojekt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gemeinsam mit der IBA Thüringen.
Ende Oktober 2020 hat Herr Landesbischof Kramer der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland entschieden, die Schirmherrschaft für diese sieben Modellprojekte zu übernehmen.
Mit viel Mut und Engagement haben die Akteur:innen vor Ort angefangen, ihre Gebäude zu öffnen, Netzwerke zu knüpfen und darüber zu diskutieren, was Kirche in Zukunft leisten kann. Alle Ideen verbinden traditionelle Gedanken zu Kirche mit Bedürfnissen unserer heutigen Zeit: eine Gesundheitskirche, eine Bienen-Garten-Kirche, ein Soziokultureller Treffpunkt, eine Netzwerkkirche, eine meditative Spielkirche, eine Kunstkirche und HER(R)BERGSKIRCHEN im Thüringer Wald.
Die Schirmherrschaft ist ein Zeichen der Wertschätzung für das Engagement der Menschen vor Ort, eine Ermutigung sich auf den Weg zu machen und eine Bestätigung für den Erhalt der Kirchengebäude durch lebendige Nutzung.
Förderung für Ausbau der Netzwerkkirche in Ellrich bewilligt
Am 3. November 2020 hat die Thüringer Staatskanzlei einen Förderbescheid über 1,3 Millionen Euro für den Ausbau der St. Johannis Kirche in Ellrich bewilligt.
Hervorgegangen aus dem Ideenaufruf von EKM und IBA Thüringen soll die St. Johannis Kirche in Ellrich zur Netzwerkkirche ausgebaut werden. Mit der Förderung sollen unter anderem der Wiederaufbau der Empore im Innenraum gesichert und die Raumakustik verbessert werden, um in Zukunft die Verständlichkeit und das Hörerlebnis in der gesamten Kirche gewährleisten zu können. Außerdem sollen eine neue Bestuhlung und mobile Trennwände die flexible Möblierungen für unterschiedliche Anforderungen sicherstellen und Funktionsräume wie Toiletten, Garderobe und Teeküche installiert werden.
Die Grundfunktion der Kirche als Evangelisches Gotteshaus bleibt erhalten, jedoch soll die Johanniskirche durch die behutsamen Interventionen in Zukunft auch als vielseitiges Veranstaltungszentrum genutzt werden. Damit erhält Ellrich einen Veranstaltungsort, mit dem sich die Stadt zu einem zentralen kulturellen Anlaufpunkt im Südharz entwickeln wird.
904.800 Euro der Förderungsbewilligung stammen aus Mitteln des EFRE-Fonds der Europäischen Union, die Evangelische Kirche stellt 226.200 Euro zur Verfügung. Am 9. Dezember ist die feierliche Übergabe des Bewilligungsschreibens durch Ministerpräsident Bodo Ramelow vorgesehen.
Bereisung der Modellprojekte
Vor vier Jahren starteten die IBA Thüringen und EKM gemeinsam einen Ideenaufruf, um neue Quernutzungen für Kirchengebäude zu finden. Aufgerufen waren Kirchgemeinden, Architekt:innen, Künstler:innen, Studierende, Schulen und alle Akteur:innen aus den Orten zu überlegen, wie man Kirchengebäude wieder zu zentralen Orten für eine Stadt- oder Dorfgemeinschaft entwickeln kann.
Damals wurden sieben Modellprojekte ausgewählt, die eine gute Verbindung sowohl kirchlich als auch gesamtgesellschaftlich relevanter Themen versprach. Mit Blick auf 2023 wollten Vertreter:innen der EKM und IBA Thüringen sowie vom Büro für Szenografie chezweitz Berlin und dem Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Philipps-Universität Marburg sehen, wo die Projekte aktuell stehen, wie es den Menschen vor Ort mit den Projekten geht und was für eine erfolgreiche Weiterführung notwendig ist.
Die Bereisung vom 24. bis 27. August 2020 führte von den HER(R)BERGSKIRCHEN Thüringer Wald über den Meditativen Spielplatz in Niedergebra, die Netzwerkkirche in Ellrich, die nicht realisierte Umnutzung in der Donndorfer Kirche, die Bienen-Garten-Kirche in Roldisleben, die neue Zentrumskirche Apolda und die Gesundheitskirche in Blankenhain bis zur Feuerorgel in der St. Annen Kapelle in Krobitz.
An fast allen Orten sind inzwischen starke Gemeinschaften entstanden, die ihr jeweiliges Modellprojekt mit großem Engagement voranbringen. Allerdings mussten auch konstatiert werden, dass die ersten Schritte der Projektentwicklung doch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und eine gute Begleitung und Unterstützung unerlässlich sind. Die Bereisung zeigte, dass die Reflexion des eigenen Tuns und Anregungen von außen wichtig sind, um weiter voran zu kommen.
Als besonders erfolgreiches Format erwiesen sich Werkstattwochen, wie sie beispielsweise in Neustadt oder Ellrich durchgeführt wurden. Sie schaffen es, von außen eingebrachte Ideen in den Orten und mit den Menschen dort zu verankern. Aber auch gemeinsam gemeisterte Anstrengungen wie z.B. der Bau eines Pavillions an der Bienen-Garten-Kirche in Roldisleben fördern starke Gemeinschaften vor Ort. Es konnte festgestellt werden, dass lebendige Kirchenräume am ehesten dort entstehen, wo man sich genug Zeit gibt zu experimentieren und wo der umgebende Raum, also das Kirchengebäude selbst, mit all seinen geschichtlichen Spuren und auch Narben sichtbar bleibt und einen Rahmen für etwas Neues bietet.
Auch wenn längst noch nicht alle Hürden gemeistert sind, so ist doch absehbar, dass mit dem Projekt viel Neues und Zukunftsfähiges entstehen wird.
Rückblick auf den 29. Evangelischen Kirchbautag 2019
›Kirche als öffentlicher Raum‹ so lautete das Motto des 29. Evangelischen Kirchbautags, der vom 19. bis zum 22. September 2019 in Erfurt stattfand. Gastgeberin in diesem Jahr war die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die aufgrund ihres offenen Ideenaufrufs, der in Kooperation mit der IBA Thüringen durchgeführt wird, ausgewählt wurde. Etwa 370 Gäste aus ganz Deutschland, aber auch aus den Partnerkirchen in Wochester und Lund, aus Dänemark, England und sogar aus Island waren angereist, um sich dem Thema der Kirchengebäude und ihrer Zukunft zu widmen.
Das Programm des Kirchbautages begann mit einem eindrucksvollen Eröffnungsgottesdienst mit dem neuen Landesbischof Friedrich Kramer in der Predigerkirche und einem Gemeinschaftsabend mit mitgebrachten Spezialitäten aus allen Regionen Deutschlands. In den folgenden Tagen konnten sich die Teilnehmer:innen bei Vorträgen, Exkursionen und in Workshops darüber austauschen und informieren, was in der EKM und darüber hinaus zum Thema Kirchenbau diskutiert und realisiert wird und welche Chancen sich aus der Zusammenarbeit mit einer IBA ergeben.
Pavillon für Bienen-Garten-Kirche Roldisleben
Das Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) der Universität Stuttgart stellte der Bienen-Garten-Kirche Roldisleben einen Pavillon zum Selbstkostenpreis zur Verfügung.
Grundriss Pavillon_Landschaftsarchitekten Backhaus und Barnett.png
Im Juli 2018 würdigte das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft das innovative und integrierte Konzept des IBA Kandidaten, das von zahlreichen Bürger:innen mitgetragen wird, mit 20.000 Euro.
Die erste Ausstellung wird im April 2019 von Künstlerin Jeanette Zippel präsentiert - ›Kunst mit und über Bienen‹. 2019 wird außerdem ein Sinnesgarten mit biblischen Kräutern im Kirchgarten angelegt.
Workshop zur Umnutzung von Kirchengebäuden bei der IBA Parkstad
Im Rahmen des Vorhabens ›STADTLAND:Kirche 2017‹ fand vom 15. bis 16. November 2017 ein Workshop bei der IBA Parkstadt in Heerlen in den Niederlanden statt. Die IBA Parkstad war neben der IBA Basel und IBA Heidelberg Kooperationspartnerin bei diesem Vorhaben. Vertreter:innen von Kirchenprojekten der IBA Parkstad und Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, der IBA Thüringen sowie der kuratorischen Projektleitung chezweitz diskutierten über innovative Modellprojekte. Dabei ging es um nicht mehr ausreichend genutzte Kirchen in beiden Ländern, als auch um bürgerschaftliches Engagement. Die Beteiligten waren sich einig, dass Nutzungen aus den Bereichen Kunst/Kultur, Fürsorge und Betreuung (Gesundheit) gut verträgliche Nutzungen für diese besonderen Gebäude sind.
Im Rahmen des Workshops besuchten die Teilnehmer:innen das Elisabeth Stift in der Nähe von Heerlen. Diese Stift einschließlich der vorhandenen Kapelle wird derzeit mit Unterstützung der IBA Parkstad unter energetischen Gesichtspunkten umgebaut. Hier entstehen Wohneinheiten mit Betreuung rund um die Uhr.
Der Ausstellungssatellit ›STADTLAND:Kirche 2017‹ war vom 25. Oktober bis 16. November 2017 bei der IBA Parkstad im Glaspalais ›Schunk‹ in Heerlen in zu sehen.
1. Kirchen-Salon in Erfurt
Im Rahmen des Ideenaufrufs ›STADTLAND:Kirche 2017‹ und der Ausstellung ›500 Kirchen 500 Ideen‹ fand am 13. Juni 2017 der 1. Salon zum Thema ›Orte schaffen. Soziale und kulturelle Öffnung von Kirchen‹ in der Kaufmannskirche am Anger in Erfurt statt.
Nach einer musikalischen Einstimmung von Schüler:innen der Musikschule der Stadt Erfurt und zwei Beispielfilmen hielt der Architekturjournalist Dr. Dankward Guratzsch einen Inputvortrag und fragte, ob Kirchen überhaupt Um- bzw. Mehrfachnutzung erfahren sollten oder ob sie nicht viel mehr einfach Orte der Besinnung und Andacht für den heute oft im ›Funktionsmodus‹ lebenden Menschen sein sollten. Er lehnte ab, die Nutzungsfrage für Kirchen zu stellen und stellte damit viele im Projekt gesammelte Ideen in Frage. Oliver Weilandt vom Internationaler Audiodienst moderierte die anschließende kontroverse Diskussion. Im Podium saßen der Senior des Kirchenkreises Erfurt Dr. Matthias Rein, der Landeskonservator vom Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Holger Reinhardt, vom Berliner Büro für Szenografie chezweitz Dr. Sonja Beeck, die Leiterein des Baurefertas der EKM, Elke Bergt, und die Projektleiterin der IBA Thüringen, Ulrike Rothe. Die spannende Diskussion öffnete sich auch ins Publikum und zahlreiche Pfarrer und Gemeindevertreter äußerten sich zur Debatte. Im Brennpunkt stand die Frage, was Kirche als Ort heute sein kann und darf, aber auch, wie man die Pflege und den Erhalt dieser Gebäude – oft eine bedrückende Frage für Kirchengemeinden - sicherstellen kann. Der Salonabend in der Kaufmannskirche klang anschließend bei gutem Wein und Musik aus.
Eröffnung der Ausstellung ›500 Kirchen 500 Ideen‹
Rund 200 Besucher:innen haben am 13. Mai 2017 die Vernissage zur Ausstellung ›500 Kirchen 500 Ideen 2017‹ gefeiert. Die Ausstellung zeigte hunderte Ideen zur künftigen Nutzung von Kirchengebäuden, die 2016 bei einem Ideenaufruf gesammelt wurden.
Zur Vernissage begrüßte Pfarrer Dr. Tilman Cremer die Teilnehmenden in der Erfurter Kaufmannskirche. Elke Bergt, Leiterin des Baureferats der EKM, beschrieb die Ausgangssituation, mit der die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland auf die Suche nach Nutzungsideen für ihre Kirchengebäude ging. IBA Geschäftsführerin Dr. Marta Doehler-Behzadi betonte den notwendigen innovativen Umgang mit dem Leerstand in Thüringen. In ihren Beiträgen verwiesen Dr. Kirsten Haß von der Kulturstiftung des Bundes, Diethard Kamm, stellvertretender Landesbischof, und Elke Harjes-Ecker von der Thüringer Staatskanzlei auf die Notwendigkeit und Stärke von Beteiligungsprozessen, die das Projekt mit der Ideensuche kennzeichnen. Die Augustinerkantorei unter Leitung von Dietrich Ehrenwert sorgte für die musikalische Umrahmung und lud die Besucher zum Mitsingen ein. Dr. Sonja Beeck vom Büro für Szenografie chezweitz, das den Aufruf kuratiert und die Ausstellung gestaltet hatte, eröffnete mit einem Countdown die Präsentation. An 25 Monitoren konnten die Besucher nun die Videos der eingesandten Ideen ansehen.
Weitere neue Ideen wurden vor der Kirche von den Besucher:innen an einem gelben Häuschen produziert: Der ›Ideengenerator‹ des Künstlerkollektivs ›Die philosophischen Bauern‹ bot eine spielerische Möglichkeit, Lösungen für den Leerstand von Kirchen zu entwickeln.
Mehr Bilder auf gibt es hier.
Ideenaufruf gestartet
Ab dem 19. März 2016 lief der Ideenaufruf ›STADTLAND:Kirche 2017‹, bei dem jeder Interessierte seine Nutzungsideen für Thüringer Kirchen einreichen konnte. Der Aufruf startete offiziell mit einer Auftaktveranstaltung in der Kaufmannskirche Erfurt. Etwa 70 Interessierte aus ganz Thüringen informierten sich dort über den Ablauf des Wettbewerbs. Die Teilnehmer:innen führten eine rege Diskussion über die Herausforderungen von Kirchengemeinden und wie sie ungewöhnliche Nutzungsmöglichkeiten für ihre Kirchen finden können.
Das Projekt ›STADTLAND:Kirche‹ ist eine Kooperation der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der IBA Thüringen, gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.
Bundeskulturstiftung fördert künstlerisches Projekt ›STADTLAND:Kirche‹
Das Projekt ›STADTLAND:Kirche 2017‹ wurde mit insgesamt 202.000 Euro durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert. Das entschied eine Jury der Bundeskulturstiftung in Halle/Saale.
Ausgehend von einem offenen Ideenaufruf sollten dabei Umnutzungsideen für 500 oft leerstehende Kirchengebäude gesammelt werden. Einzelne Beispiele für eine sinnvolle Nutzung, wie durch Umwidmung dieser Gebäude, wurden im Rahmen der IBA Thüringen umgesetzt. Die Ergebnisse des Aufrufs wurden im Lutherjahr 2017 in Thüringen ausgestellt und floßen in die ›Weltausstellung der Reformation‹ in der Lutherstadt Wittenberg ein.
»Wenn 2017 im Rahmen des Luther-Jubiläums 500 Jahre Reformation gefeiert werden, wird das Neu- und Umdenken über die Zukunft der evangelischen Kirchen von Thüringen eine weltweite Aufmerksamkeit finden«, so Elke Bergt, Projektleiterin bei der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. IBA Geschäftsführerin Dr. Marta Doehler-Behzadi ergänzte: »Das Projekt leistet einen Beitrag zur internationalen Kunst- und Kulturdiskussion im Umgang mit der großen gesellschaftlichen Frage des Leerstands von kulturhistorisch bedeutsamen Bauwerken ohne Nutzungsbedarf«.
Das Projekt ›STADTLAND:Kirche 2017‹ wird gemeinsam von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der IBA Thüringen betrieben.
Nominierung zum IBA Kandidat
Am 30.09.2014 nominierte der Fachbeirat der IBA Thüringen die Projektfamilie ›2.000 Kirchen Thüringen‹ einstimmig zum IBA Kandidaten.
Momentan keine Termine
- Evangelische Kirche in Mitteldeutschland
- Internationale Bauausstellung Thüringen
Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
- Regionale Partner aus Kirchengemeinden und Gemeinden
- Ideengeber des Ideenaufrufs 2017
- Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
- IBA Parkstad, Heidelberg und Basel
- Publikation ›Ein neuer Typus Kirche‹, jovis Verlag
- Publikation ›500 Kirchen 500 Ideen‹, jovis Verlag
- Website Kirchbautag 2019
- Artikel Raumplanung 4/2018
- Publikation ›Die Reformationsdekade ›Luther 2017‹ in Thüringen‹, Wartburg Verlag
- Dokumentation ›Reformation'en: KIRCHEN • WEITER • BAUEN' 2017‹
- Fotodoku Gastgeberklub Ellrich