Der Natur auf der Spur: IBA bereist den Landkreis Nordhausen
Auf typische ‚StadtLand’ Themen, Naturschätze und historischen Bestand traf die IBA in tour im Südharz. Privates Engagement liefert neue Impulse für Dörfer und Städte.
Der Landkreis verfügt über bedeutende Naturschätze: Im Norden grenzt er als einziger in Thüringen an den Harz. Dessen höchster Berg, der Brocken, ist nur wenige Kilometer entfernt. Die in Teilen als Biosphärenreservat ausgewiesene Karstlandschaft in den Kreisen Nordhausen, Mansfeld-Südharz und Osterode ist einzigartig. Wichtigster Wirtschaftsfaktor im Norden des Landkreises ist der Fremdenverkehr, der jedoch rückläufig ist. Gefragt in der Region sind allgemein Zukunftskonzepte, um dem demografischen Wandel in den Städten und auf dem Land zu begegnen.
Die IBA Reise durch den Landkreis Nordhausen startete am 23. September in Neustadt im Südharz. Unter dem Motto ‚Heilklima schafft Zukunft’ soll der anerkannte Luftkurort mit privater Initiative neu belebt und nachhaltig entwickelt werden.
Neustadt hat ein Fachkrankenhaus für Atemwegserkrankungen, ein Waldbad, eine Bowlingbahn und einen Golfplatz. Alles ist auf die Touristen ausgerichtet, die zunehmend ausbleiben. Um den Negativtrend umzukehren, setzt der Neustädter Arzt Dr. André Haas auf ein neues Angebot: ambulante Kuren. Gemeinsam mit der Gemeinde ist ein ambulantes Kurzentrum geplant, von dem man sich Impulse für die gesamte Dorfentwicklung erwartet.
„Einer muss ja anfangen. Und wer macht's? Der Doktor! Wenn man es aus heutiger Sicht betrachtet, ist es aussichtslos. Wir machen es trotzdem“, brachte Haas die aktuellen Probleme bei Finanzierung und Betrieb auf den Punkt. Baulich ist dafür die Sanierung eines denkmalgeschützten, derzeit ungenutzten Gebäudes vorgesehen.
Die nächste Station führte das IBA Team nach Ellrich am Harz. Im Ortsteil Werna steht das Spiegelsche Gutshaus, ein 1590 errichteter Fachwerkbau mit angrenzendem Park. Für dieses Kleinod früher Baukunst sucht der nur 200 Einwohner zählende Ort nach einem tragfähigen Nutzungskonzept. Nach der Sanierung soll das für den Ort prägende, leerstehende Gebäude nachhaltig wiederbelebt werden. Der Ortsteilbürgermeister Wolfgang Krug setzt darauf, neben dem Landkreis die Bürger und örtlichen Vereine an der Zukunft für das Gutshaus zu beteiligen. „Die Erhaltung des Gebäudes über einen so langen Zeitraum verdanken wir nur dem Engagement der Bürgerschaft", so Krug. „Wir können hier einen kulturellen Leuchtturm schaffen“, fasste Chronist Wegmann das Potential der Anlage zusammen. Durch die Nähe zum Geopark Harz ergeben sich zudem touristische Ansätze. Die Ideen reichen von einem Begegnungszentrum über Schulungen und Workshops bis hin zu Fahrradrouten mit Übernachtungsangeboten für Wanderer.
In Bleicherode stellte Bürgermeister Frank Rostek ‚1 hoch 3 – Eine Region baut vor’ als bauliches Rettungskonzept für seine Stadt vor. Bleicherode ist reich an historischem Fachwerk, leidet jedoch unter hohem Leerstand. Das Zentrum fällt zusehends leer, weil schlüssige Sanierungs- und Nutzungskonzepte fehlen. Die auch beim 1. IBA Projektaufruf ‚Zukunft StadtLand!’ eingereichte Idee soll die Wende bringen. Architekt Sven Ebert erläuterte die Methode, den historischen Kern der Fachwerkstadt ganzheitlich zu betrachten und zu entwickeln. Das Konzept sieht offene Strukturen in einem gemischten Quartier mit Möglichkeiten zum Wohnen und Arbeiten vor. Ein Fonds soll die Realisierung finanziell absichern. Klimaschutz und Energieeffizienz werden bei diesem Vorhaben groß geschrieben: Regenerative Strom- und Wärmeerzeugung und innovative Energiespeicher garantieren Nachhaltigkeit. Individuelle Übernachtungsangebote, die gemeinsam vermarktet werden, sollen für eine stetige Auslastung der sanierten Gebäude sorgen.
In den Dörfern Werther und Kleinwerther ging es anschließend um beispielhafte Projekte für den ländlichen Raum. In Werther fehlt es an einem Treffpunkt für die zunehmend ältere Bevölkerung. Mit engagierten Einwohnern soll ein multifunktionaler Dorfladen, ein Ort für die Nahversorgung und Begegnungsstätte zugleich, aufgebaut werden. Der Betrieb des Ladens sei jedoch nicht ganz einfach. „Ein Dorfladen im ländlichen Raum - Ich nenne es Abenteuer!“, so Bürgermeister Weidt. Das Werther-Mobil, ein Elektroauto, das die Bevölkerung in verschiedenen Ortsteilen versorgt, trägt ebenfalls zur Dorfentwicklung bei. Zudem wurden in Werther Konzepte für alternative Wohnformen auf dem Land vorgestellt: Servicewohnen im sanierten Schloss sowie die stationäre Pflegeeinrichtung im neuen ‚Landhaus am Schlosspark’.
Letzte Etappe dieser IBA on tour war die Kreisstadt Nordhausen. Mit rund 42.000 Einwohnern ist sie die sechstgrößte Stadt in Thüringen und verfügt über eine Fachhochschule. In Nordhausen standen insgesamt vier Projektideen auf dem Besuchsprogramm.
Zunächst wurde das Konzept für die baufällige Altendorfer Kirche präsentiert, die künftig als Jugendkirche genutzt werden soll. Nach Sanierung und Erweiterung könnte die Kirche einen wichtigen Beitrag zur Jugendarbeit im ländlichen Raum leisten. Veranstaltungen in der neuen Jugendkirche sollen die Jugendarbeit vor Ort präsenter machen und Stadt und Land besser verknüpfen, so das erklärte Ziel der Initiatoren um Pfarrer Gregor Heimrich.
Weiter ging es in die Nordhäuser Bäckerstraße. Nach den Plänen der Stadt wird sich das historische Quartier zu einem klimaneutralen Viertel mit einer angepassten Infrastruktur für alle Generationen wandeln. Investiert wird derzeit kaum in das Areal mit seinen denkmalgeschützten Kelleranlagen. Die Stadt möchte gemeinsam mit ihrem Projektpartner Fachhochschule Nordhausen hier neue Modelle des Zusammenlebens erproben und Strategien für die Energiewende etablieren, etwa durch den Ausbau des Nahwärmenetzes oder e-Carsharing. Nicht zuletzt durch altersgerechte Angebote in der Infrastruktur soll rund um die Bäckerstraße ein lebenswertes und nachhaltiges Altstadtquartier entstehen, das den demografischen Wandel berücksichtigt. Im gesamten Prozess wird eine aktive Bürgerbeteiligung angestrebt.
Im Bürgerhaus von Nordhausen folgten zwei weitere Präsentationen: zum einen stellte die Fachhochschule Nordhausen ein Vorhaben zum Thema energetisch-ökologischer Stadtumbau vor, zum anderen ging es um die Gestaltung und Nutzung ‚erlebbarer Landschaften’.
Zunächst sprachen Prof. Dr. Dagmar Everding und Ariane Ruff, beide von der FH Nordhausen, über ihre Projektidee ‚Pfade in der Energie-Kultur-Landschaft/Offenes Stadtumbau-Labor an der Fachhochschule Nordhausen’. In Nordhausen ist bereits eine Vielzahl von Projekten des energetischen-ökologischen Stadtumbaus realisiert. Durch ein offenes Messlabor an der Fachhochschule mit laufendem Monitoring und kontinuierlicher Bürgerbeteiligung will man den Stadtumbau entlang von Pfaden in der Energie-Kultur-Landschaft Nordhausens weiter erforschen. Impulse erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen durch Vorhaben wie den Umbau des Quartiers Nordhausen-Ost.
‚Nordhäuser Se(h)en Potential’ beschäftigt sich mit dem Areal von Kiesseen am Rand der Kreisstadt. Bislang wurden die unweit von Südharz, Kyffhäuser und Hainleite gelegenen Seen von Tauchern, Bade- und Freizeitgästen wild genutzt. In der Region läuft der Bergbaubetrieb weiter, was Konflikte mit sich bringt. Um diese zu lösen, will man eine neue Prozesskultur mit vielen Akteuren etablieren. Der innovative Einsatz von regenerativer Energie macht das Projekt zu einem nachhaltigen Vorhaben. Nach dem Wunsch der Initiatoren – dem privaten Investor Axel Heck von der Seelano GmbH, der Stadtverwaltung Nordhausen sowie der FH Nordhausen – sollen die Seen regionale wie überregionale Bedeutung erlangen.
Mit einer Podiumsdiskussion, an der sich auch Staatssekretärin Inge Klaan beteiligte, endete diese IBA on tour durch den Landkreis Nordhausen. Weitere Impulse kamen von Gisela Hartmann, der Vorstandsvorsitzenden des Fördervereins Park Hohenrode. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die Erwartungen an die IBA Thüringen sowie neue Ansätze und Impulse, die sich für den Landkreis in Zukunft ergeben könnten.
Es ging auch um Projektideen, die zum 1. IBA Projektaufruf eingereicht worden waren. „Zu lernen, wer hinter den Projekten steckt, ist noch einmal interessanter als das bloße Papier der Projekteinreichung zu lesen“, sagte IBA Geschäftsführerin Marta Doehler-Behzadi mit Blick auf die breite lokale Beteiligung.