Nordhausen, StadtLandMobilität

Nordhausen, StadtLandMobilität

Emissionsfrei und neu vertaktet

Wie organisiert man eine nachhaltige Mobilität für Stadt und Land? Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) langfristig kostendeckender zu betreiben, im ländlichen Raum attraktiver zu machen und ressourcenschonend auszubauen sind Ziele, die deutschlandweit unter intensiven Debatten verfolgt werden. Neben den Zielen einer besseren Erreichbarkeit des ländlichen Raumes gilt es aber auch, die Klimabilanz zu verbessern: Gut ein Viertel der CO2-Emissionen in der Stadt Nordhausen und im Landkreis verursacht der Mobilitätssektor. Den Nordhäuser:innen ist zudem der Erhalt ihrer 100-jährigen Straßenbahn wichtig. Um dies alles zu ermöglichen, setzen Stadt und Landkreis gemeinsam auf ein integriertes StadtLand-Mobilitätskonzept. Es versucht, ökologisch sinnvolle und sozial gerechte Lösungen für einen klimafreundlichen Verkehr zu finden. Das übergeordnete Ziel ist dabei die emissionsfreie Mobilität bis 2040. Vorrang aller zukünftigen Investitionen in Stadt und Landkreis haben gleichermaßen der Ausbau des ÖPNV, des Fuß- und Radverkehrs.

Eine kooperative Arbeitsweise ist hier in mehrfacher Hinsicht Basis der Zukunftsentwicklungen. Seit den Bürgerwerkstätten 2015 zur Entwicklung der Klimaregion Nordhausen wurden alternative Finanzierungsmöglichkeiten des ÖPNV und eine ÖPNV-Flatrate thematisiert, erste Busse auf elektrischen Antrieb umgestellt, das E-Ticketing vorbereitet und durch den lokalen Energieversorger der Ausbau der E-Ladeinfrastruktur vorangetrieben. Darauf aufbauend startete Ende 2020 die gemeinsame Erarbeitung des integrierten Mobilitätskonzepts für die Stadt und den Landkreis Nordhausen. Vertreter:innen von Verbänden und Verwaltung sowie aus der Politik trugen dabei erstmals ihre Erkenntnisse zusammen, wie die Verkehrsströme insgesamt nachhaltiger gestaltet werden können; Bürgerinterventionen erprobten erste Maßnahmen wie das 1-Euro-Ticket oder das Anradeln. Die team red Deutschland GmbH erarbeitete daraufhin das integrierte StadtLand-Mobilitätskonzept. Dazu wurden die räumlichen Leitbilder »10-Minuten-Stadt« und »30-Minuten-Landkreis« entwickelt. Innerhalb dieser Zeitradien sollen alle lebensrelevanten Einrichtungen auf dem kürzesten Weg zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Bus und Bahn erreichbar sein. Die zukünftige Siedlungsentwicklung könnte so auf Grundlage einer CO2-neutralen Mobilitätsstruktur erfolgen.

So unprätentiös der Ansatz auch klingt, stellt das Konzept eine radikale Umkehr der Planung dar, in der häufig die Verkehrsplanung vor vollendeten Tatsachen steht. Vielmehr wird nun die Raumentwicklung aus Sicht der klimagerechten Erreichbarkeit weitergedacht. In Gebieten jenseits der Siedlungsschwerpunkte und -achsen wird ein gutes ÖPNV-Angebot und ein dichtes Rad- bzw. Fußwegenetz jedoch schwer zu realisieren sein. Daher liegt der Fokus hier auf Systemen, die den sozialen Zusammenhalt in den Regionen stärken wie Mitfahrbänke, neue Pendlerportale oder nachbarschaftliches Carsharing. Als gewerbliche Dienstleistungen können On-Demand-Verkehre das ÖPNV-Angebot ergänzen und mit den Angeboten entlang der Achsen verknüpfen. In stark peripheren Siedlungsstrukturen übernimmt weiterhin der private Pkw eine zentrale Rolle. Um aber auch hier den Transfer zu einer emissionsfreien Mobilität zu ermöglichen, ist zu den privaten E-Lademöglichkeiten ein Angebot an (halb-)öffentlichen E-Ladesäulen in Zusammenarbeit mit lokalen Dienstleister:innen und Gewerbetreibenden nötig.

Das Konzept der 10- bzw. 15-Minuten-Stadt ist nicht neu, es gibt das Prinzip der kurzen Wege schon länger, in größeren Städten ist das Angebot innerstädtisch ohnehin recht dicht. Aber wie sieht die Umsetzung jenseits davon aus? Genau hier setzt das Mobilitätskonzept in Stadt und Landkreis Nordhausen an. Maßnahmenvorschläge zur Umsetzung sind neben der Siedlungsentwicklung ein durchgängig ausgebautes Radverkehrsnetz mit Abstell- und Mitnahmemöglichkeiten bei Anschlussverkehren, eine smarte digitale und analoge Vernetzung von Angeboten der Bahn, von Bus, (E-)Bikes und Sharing-Angeboten, die Beschleunigung des ÖPNV durch Vorrang im Verkehr, die dichtere Vertaktung des ÖPNV — innerstädtisch alle 10, außerhalb alle 20 Minuten und peripher mindestens stündlich —, die Reduzierung von Höchstgeschwindigkeiten sowie über 40 weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Fuß-, Rad- und ÖPNV-Entwicklung. Dank des 49-Euro-Tickets wird der öffentliche Nahverkehr bezahlbar bleiben und kann um weitere Abomodelle zum Beispiel in Kombination mit Sharingsystemen oder Mietmodellen ergänzt werden. Neben dem räumlichen Leitbild wurden jedoch auch quantitative Ziele definiert: Der Anteil des privaten Pkw-Verkehrs soll bis 2040 in Stadt und Landkreis halbiert werden, der Rad- und ÖPNV-Anteil sich mehr als verdoppeln und gegenüber heute ein Drittel mehr Menschen zu Fuß im Landkreis unterwegs sein. Diesen Zielen liegt eine fraktionsübergreifende Abstimmung in einer gemeinsamen Ausschusssitzung von Stadt und Landkreis zu Grunde. Ein zukünftig regelmäßiges Monitoring wird helfen, die Zielerreichung zu messen.

Die Partner:innen sind sich einig, dass Maßnahmen wie die E-Auto-Prämie nicht ausreichen, um klimagerechter zu agieren. Vielmehr müssen sich Mobilitätsgewohnheiten ändern. Dazu muss die Welt nicht neu erfunden, sondern nur multifunktionaler weiterentwickelt, Angebote zurück in die Orte verlagert und wieder zu mehr Freude an der Bewegung beim Fuß- und Radverkehr motiviert werden. Das Mobilitätskonzept benennt hierzu schnell umzusetzende Maßnahmen ab 2023: Nach dem Prinzip »jede Straßenlaterne eine Haltestelle« werden virtuelle Busstopps zur Individualisierung des ÖPNVs erprobt, (öffentliche) Pkw-Stellplätze in Wohngebieten beispielhaft zu überdachten und abschließbaren Radabstellanlagen umgebaut, die Einführung von Carsharing-Angeboten in den kommunalen Verwaltungen geplant, die Installation mindestens einer Mitnahmebank je Ortsteil umgesetzt sowie die Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Kilometer pro Stunde auf allen verkehrsrechtlich möglichen Straßen in Stadt und Landkreis geprüft. Ein:e neue:r Mobilitätsmanager:in soll künftig die integrierte Mobilität koordinieren.

Projektprozess 
Klimaregion Nordhausen im IBA Finale 2023
01. März 2023

Klimaregion Nordhausen im IBA Finale 2023

Mitmach-Initiativen zum Themenschwerpunkt Radverkehr durchgeführt
24. Juni 2022

Mitmach-Initiativen zum Themenschwerpunkt Radverkehr durchgeführt

© Stadt Nordhausen

Interventionen zum Thema Fußverkehr in Nordhausen durchgeführt
17. Juni 2022

Weiter GEHT es: Interventionen dem Thema Fußverkehr in Nordhausen

© Stadt Nordhausen

ÖPNV Aktionswoche mit Bus-Gesprächen durchgeführt
17. September 2021

Nordhausen beweget sich!

Feedback, Ideen und Wünsche zum ÖPNV rund um Stadt und Landkreis Nordhausen waren Ziel der ›Bus-Gespräche‹.

Erarbeitung des integrierten Mobilitätskonzepts startet
16. November 2020

Erarbeitung des integrierten Mobilitätskonzepts startet

Abschlussforum zur ›Zukunftsstadt Nordhausen‹
14. März 2016

Abschlussforum zur ›Zukunftsstadt Nordhausen‹

Die an diesem Abend gebildete Redaktionsgruppe aus Bürger:innen und Verwaltung kümmerte sich um die Gestaltung der Zukunftszeitung für Nordhausen und um die Formulierung des Abschlussberichts (siehe Links/Material).

Die an diesem Abend gebildete Redaktionsgruppe aus Bürgern und Verwaltung wird sich nun um die Gestaltung einer Zukunftszeitung und um die Formulierung des Abschlussberichts kümmern. Beide Teile bilden zusammen mit dem ›Zukunftsbild-Nordhausen‹ den Wettbewerbsbeitrag, den Nordhausen beim Bundesministerium für Bildung und Forschung im Sommer einreichen wird. Die Jury des Ministeriums wird anschließend die 20 vielversprechendsten Beiträge aus den 51 Teilnehmerstädten auswählen, welche dann die Förderung für die zweite Phase des Wettbewerbs erhalten.

Bürgerwerkstätten für Zukunftsstadt
22. Februar 2016

Bürgerwerkstätten für Zukunftsstadt

Anwesend waren interessierte Bürger:innen, Schüler:innen und Studierende, Bürgermeister:innen aus den Gemeinden der Region Nordhausen, die Stadtwerke, Wohnungsgesellschaft und –genossenschaft, Vereine, Energiegenossenschaften.

Ergebnis des ersten Tages: Viele Projekte für eine Zukunftsstadt sind in Nordhausen und im Landkreis bereits Realität. So gibt es beispielsweise Bürger:innen, die ihr Auto der Gemeinschaft zur Verfügung stellen, indem sie es stunden- oder tageweise vermietet. Andere Initiativen, wie beispielsweise die Bürgerstiftung Park Hohenrode engagieren sich schon seit Jahren für die Grundflächenentwicklung in der Region. Unternehmen wie die städtische Wohnungsgesellschaft investieren bereits in Projekte zur Gestaltung des energetischen Wandels.

Einen kurzen Input zu den Themen der drei Arbeitsgruppen ›Gemeinsam investieren‹, ›Gemeinsam Verhalten ändern‹ und ›Gemeinsam motivieren‹ gaben der Kommunikationsdesigner Prof. Steffen Schuhmann von der Kunsthochschule Berlin Weissensee, die Projektleiterin Kerstin Faber von der IBA Thüringen, der Vorsitzende des Vereins Bürgerenergie Thüringen Matthias Golle sowie Prof. Dagmar Everding vom Lehrstuhl Ökologischer Stadtumbau der Hochschule Nordhausen.

Mobil in die Zukunft

Im Januar 2016 trotzten wieder rund 70 Teilnehmer:innen dem Wintereinbruch und kamen zur zweiten Bürgerwerkstatt, um eine Stadt-Land-Mobilität für das Jahr 2030 zu entwerfen. Den fachlichen Einstieg der Veranstaltung lieferten die beiden Referenten und Experten für Mobilität Prof. Dr. Gather von der FH Erfurt und Dr. Wilde von der Goethe-Universität Frankfurt. So stellte sich unter anderem heraus, dass im Durchschnitt ein Fahrzeug zu 95% ungenutzt bleibt, ein öffentlicher Parkplatz uns alle statistisch aber 10.000 Euro pro Jahr dafür kostet. Ein CarSharing Auto ersetzt wiederum bis zu acht Privat-Pkws – und würde uns damit um 80.000 Euro pro Jahr erleichtern. Neben diesen Informationen wurden zahlreiche praktische Beispiele zu innovativen und bewegenden Initiativen und Projekten vorgestellt. In drei Arbeitsgruppen wurde anschließend weitergearbeitet.

In der ersten Arbeitsgruppe unter dem Titel ›Nordhausens Nahverkehr gesichert in die Zukunft‹ kamen die Möglichkeiten und Wege zur Sprache, den Nahverkehr in Stadt und Landkreis dauerhaft zu sichern. So wurde über einen ticketlosen ÖPNV im gesamten Landkreis und die Möglichkeiten eines Bürgerbusvereins für Nordhausen diskutiert.

Die zweite Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit dem Thema ›Teilen statt besitzen‹, eine Überzeugung mit Nachholbedarf in Sachen Anhängerschaft. Die Wege zu einem sicheren und lebenswerten Straßenraum wurden in der dritten Arbeitsgruppe besprochen. Initiativen wie autofreie Tage, Rad- und Fußverkehrs-Apps mit Belohnungssytem und Lastenraddienstleistungen wurden vorgeschlagen.

Innovativ denken, realistisch handeln

Im Februar 2016 fand die 3. Bürgerwerkstatt, wieder mit rund 70 Teilnehmer:innen, statt. Diesmal zum anspruchsvollen Thema energetischer Stadtumbau.

Die Hochschule Nordhausen ist als Forschungs- und Bildungseinrichtung eine Quelle für Fachwissen. Prof. Dr. Dagmar Everding und Prof. Dr. Rainer Große stellten am Beginn der Veranstaltungen die aktuellen Forschungsschwerpunkte der Hochschule vor. In den Arbeitsgruppen berichteten Studierende von Semesterprojekten, in denen sie konkrete Vorschläge für den energetischen Stadtumbau in Nordhausen erarbeiteten. Christina Sager-Klaus vom Fraunhofer Institut für Bauphysik in Kassel betonte in ihrem Einstiegsvortrag die Notwendigkeit, Projekte zu initiieren, die sich langfristig eigenwirtschaftlich entwickeln können. Der Stadtumbau muss vor allem aus dem Bestand gedacht werden.

Innovativ denken und realistisch handeln war dann auch das Ergebnis der ersten Arbeitsgruppe ›Energetischer Umbau von Stadtquartieren‹. Die technischen Mittel zur Erzeugung Erneuerbarer Energien (EE) stehen bereits zur Verfügung. Vorhandene Infrastrukturen müssen auf die Nutzung von EE geprüft und umgestellt werden. Energetischer Stadtumbau bedeutet aber auch, kurze Wege zu ermöglichen. Die Einsparung von CO2 steht an erster Stelle, ebenso die soziale Verträglichkeit. Energetischer Stadtumbau muss daher immer mit einer sozial-räumlichen Qualifizierung zusammengedacht werden und darf nicht nur vor dem Hintergrund der energetischen Optimierung erfolgen.

Den Einstieg und die fachliche Begleitung der zweiten Arbeitsgruppe zum Thema ›Energielandschaft StadtLand gestalten‹ gab Prof. Dr. Doris Gstach, die die Professur Freiraumplanung und Landschaftsgestaltung an der FH Erfurt inne hat. Der Wandel im System der Energieerzeugung und Ressourcennutzung hat immer Auswirkungen auf die Landschaft gehabt. Zeugnisse historischer Produktionslandschaften werden heute größtenteils akzeptiert, sogar als natürlich ästhetisch empfunden. Dies muss auch für die aktuelle Energiewende gelten. Dabei müssen Freizeitlandschaft, Naturschutz und produktive Landschaft – ob landwirtschaftlich oder energetisch – viel stärker als eine Einheit zusammen gedacht werden. Es wurde anschließend diskutiert, wie ein Handbuch für Best Practice-Beispiele für die Region entstehen kann.

Die dritte Arbeitsgruppe ›Vom Altbau zum energetischen Traumhaus‹ beriet der Architekt Steffen Langner von ADOBE Architekten aus Erfurt. Ergebnis: Es müssen immer Individuallösungen gefunden werden, die eine nachhaltige soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung ermöglichen. Eine Blaupause gibt es nicht. Darüber hinaus wurden konkrete Maßnahmen - wie beispielweise das Nutzen regionaler Ressourcen als nachhaltige Baustoffe für den Wohnungsbau und der Verzicht auf Verbundstoffe – diskutiert.

Startschuss für die ›Zukunftsstadt‹
27. Oktober 2015

Startschuss für die ›Zukunftsstadt‹

IBA Fachbeirat empfiehlt Kandidatenstatus für die Klimaregion Nordhausen
30. September 2014

IBA Fachbeirat empfiehlt Kandidatenstatus für die Klimaregion Nordhausen

Kalender 

Momentan keine Termine

Ort 
Stadt und Landkreis Nordhausen
Deutschland
Projektträgerin
Projektpartner

Landkreis Nordhausen

Förderung

Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Thüringer Richtlinie zur Förderung von Projekten und Maßnahmen der Regionalentwicklung und zur Gestaltung der Folgen des demografischen Wandels

IBA Projektleiterin